Rechtsextremismus und kein Ende? Im Gespräch mit der SPD-Arbeitsgemeinschaft „60 plus“ im Gasthaus Hattendorf hat der Landtagsabgeordnete und ehemalige niedersächsische Innenminister Heiner Bartling verdeutlicht, warum es bisher nicht gelungen ist, den Nazi-Terror und den sogenannten Trauermarsch in Bad Nenndorf zu stoppen.

(tes). Ein Patentrezept gebe es nicht, betonte der Rintelner. Die Antwort könne nur lauten, dass demokratische Kräfte wie das Bündnis „Bad Nenndorf ist bunt“ aufstehen und sich wehren: „Nicht erst, wenn die schwarzen Kolonnen durch die Straßen laufen, sondern schon im Alltag, am Stammtisch.“ Das Versammlungsgebot stelle die Polizei vor ein Dilemma, erklärte Bartling: „Sie muss dieses Recht auch Rechtsextremisten ermöglichen.“ Nur ein polizeilicher Notstand könne dies bremsen.

Bartling sprach sich für ein NPD-Verbot aus. Der erste Versuch sei gescheitert, weil die Verfassungsschutzbehörden der Länder nicht bereit waren, Informationen auszutauschen. Dass die Nazi-Mordserie so lange unentdeckt blieb, stieß bei den Nenndorfern auf Unverständnis. Als 1999 der Thüringer Verfassungsschutz seine Kollegen in Niedersachsen um Amtshilfe bat zu Holger G., dem im November in Lauenau festgenommenen Unterstützer der Zwickauer Terrorzelle, war Bartling als Innenminister für den Verfassungsschutz zuständig. Er warb um Verständnis: „Was sich in dieser Szene entwickelt hat, konnte keiner ahnen.“

Auch die Namen der Trauermarsch-Organisatoren wie Marcus Winter seien lange bekannt. „Aber solche Aktivitäten hätte ihnen niemand zugetraut“, betonte Bartling. Informanten aus der Szene seien nötig, um dagegen anzugehen. In der Region sei es mithilfe von V-Leuten gelungen, Nazikonzerte zu verhindern. Strikte Führung verhindere, dass V-Leute zur Propaganda der Rechten genutzt werden. Ein NPD-Verbot tauge nicht für ein Verbot der Trauermärsche, weil diese von Kameradschaften angemeldet werden. Die Obrigkeitsgläubigen am Rand der NDP ließen sich dadurch jedoch beeindrucken, hoffte Bartling.

Er versprach einen Ansatz der AG „60 plus“ prüfen zu lassen: „Die Anmeldung der Trauermärsche bis 2030 verletzt den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit“, erklärte Ernst Wolter. „Kein Anderer darf an diesem Tag die Bahnhofsstraße entlanglaufen. Da werden auf Jahrzehnte hinaus unsere Rechte beschnitten“, kritisierte der Vorsitzende der Nenndorfer SPD, Udo Husmann. Das Versammlungsrecht werde so pervertiert, bestätigte Jürgen Uebel, Vorsitzender von „Bad Nenndorf ist bunt“, der vor dem Kampf der Nazis um „Köpfe und Straße“ und einem Klima der Angst wie in Bückeburg warnte.

„Wir prüfen permanent, um einen Grund für ein Verbot der Aufmärsche zu finden“, motivierte Nenndorfs Polizeichef Michael Andreas Meier zum bürgerlichen Engagement: „Es ist ein langer Weg, aber es ist der richtige.“ Am 7. Mai kommt Innenminister Uwe Schünemann zur Podiumsdiskussion in die Wandelhalle.

sn-online.de vom 02.03.12