Jürgen Schurwanz spricht über „Enteignungen unter Hakenkreuz und DDR-Willkür“

(lmh). Mit Enteignungen während der Zeit des Nationalsozialismus und in der DDR hat sich die Arbeitsgemeinschaft der Nenndorfer SPD-Senioren „60 plus“ am Dienstag befasst. Referent war der Bad Nenndorfer Rechtsanwalt Jürgen Schurwanz, der in den Neunzigern das Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen in Sachsen-Anhalt leitete.

Mit gesetzlichen Regelungen hätten die Besitzänderungen der Dreißiger Jahre wenig zu tun gehabt, erklärte Schurwanz. „Im Wesentlichen waren das polizeiliche Maßnahmen.“ Vor allem zu Beginn des Nazi-Regimes sei eher subtiler, später massiver Druck auf die zumeist jüdischen Besitzer von Betrieben und Immobilien ausgeübt worden, um äußerlich rechtmäßige Verkäufe abzuschließen.

Während sich in Westdeutschland die Alliierten gleich nach dem Krieg um die Wiederherstellung der rechtmäßigen Besitzverhältnisse kümmerten, „ging das in der DDR mehr oder weniger nahtlos da weiter, wo Hitler aufgehört hatte“, beschrieb der Experte. Wurden Flächen benötigt, beispielsweise für den Bau der Mauer in Berlin, enteignete die Regierung die Besitzer gegen eine geringe Summe ohne weitere Nachfrage. „Und wenn ein Bonze sein Auge auf ein schönes See-Grundstück geworfen hatte, fand er Mittel und Wege, das zu bekommen.“ Viele Besitzungen deklarierte die DDR ohnehin zu Volkseigentum.

Vom „schwierigen Weg der Wiedergutmachung“ berichtete Schurwanz anschließend aus seiner eigenen Arbeit. Nach der Wiedervereinigung rief die Bundesregierung die Landesämter zur Regelung offener Vermögensfragen ins Leben. Das von Sachsen-Anhalt leitete der Bad Nenndorfer. „Reines Chaos“ habe er in den Akten vorgefunden, die erste Herausforderung sei die Schaffung einer Infrastruktur gewesen. Schurwanz berichtete auch von den Tricks der neuen Besitzer. Hatte eine Gemeinde einen Spielplatz auf einem betreffenden Grundstück errichtet, mussten andere Lösungen gefunden werden. Vereinzelt stellte sich der vermeintliche Spielplatz bei einer Ortsbegehung jedoch als Wiese heraus. 1999 löste sich das Amt „wegen weitgehender Erledigung der Aufgaben“ auf.

sn-online.de vom 01.04.12