Eine Schule, ein Sportverein, ein bürgerliches Bündnis und ein Wunsch: Schüler stark machen gegen Rekrutierungsversuche von Neonazis. Wie dieses Ziel erreicht werden kann, darüber hat Journalist Stefan Schölermann auf Einladung vom Schulelternrat des Gymnasiums Bad Nenndorf in Kooperation mit dem VfL und dem Bündnis „Bad Nenndorf ist bunt“ informiert.

(tes). „Gelebte Demokratie“ lautet das Stichwort. Mit buntem Protest und der Partymeile neben dem sogenannten „Trauermarsch“ der Nazis habe Bad Nenndorf gezeigt, wie es geht, lobte Schölermann. „Wir wollen Mut machen, sich gegen rechts zu engagieren“, motivierte der VfL-Vorsitzende Volker Thies. Zwar würden Kinder im Unterricht viel über die NS-Zeit lernen, aber es fehle an emotionaler Betroffenheit, berichtete die Schulelternratsvorsitzende Gitta Matthes. Als einige Schüler im vergangenen Jahr den Naziaufmarsch sahen, habe sie erstmals echte Betroffenheit bei den Jugendlichen erkannt. Diese Erfahrung sei wichtig, um den Wert der Demokratie zu erkennen, so Schölermann.

Demoverbote seien hingegen wenig sinnvoll, zumal auch Nazis ein Recht auf Versammlungsfreiheit haben. Noch gilt der Nazi-Aufmarsch in Bad Nenndorf als einer der wichtigsten in Deutschland. „Das wissen alle“, begründete der Hörfunkjournalist die Faszination dieses „zynischen Spektakels“. Der Generationenwechsel mache sich jedoch auch im Nazilager bemerkbar: Braune Flashmobs und Schockaktionen lösen das Auslaufmodel „Latschdemos“ ab. Bundesweit sinke die Resonanz bei Aufmärschen, weckte Schölermann die Hoffnung, dass sich der „Trauermarsch“ bis 2030 „totgelaufen“ hat.

Aber: Den „Trauermarsch“ ignorieren? „Das wird nicht funktionieren“, verwies er auf Erfahrungen in anderen Orten: „Die Nazis kommen trotzdem, das ist rechtsextreme Erlebniskultur.“ Zumal sich mit Filmen und Bildern im Internet auch Aktionen ohne Publikum als Erfolg verkaufen lassen.

Schölermann warnte, das Thema den Schulen allein zu überlassen und zum Tabu zu machen: „Da sind alle gefordert.“ „Wir Eltern sind am nächsten an den Kindern dran“, riet eine Mutter, am 4. August gemeinsam zur Gegendemo zu gehen und aufzuklären. „Diese jungen Nazis wissen gar nicht, was im Dritten Reich an seelischen Schäden hinterlassen wurde“, berichtete Horst Späth von seinen Erfahrungen: „Wir müssen den Jungen sagen, was dieses System angerichtet hat.“ Matthes hofft, dass sich mehr Eltern und Lehrkräfte am Widerstand beteiligen: „Nazis dürfen nicht weiter ungestraft auf unseren Straßen marschieren.“

sn-online.de vom 09.07.2012