Im November 2011 erlangten wir die traurige Gewissheit, dass die rechtsterroristische Zelle „Nati-onalsozialistischer Untergrund“ (NSU) mutmaßlich für schwerste Delikte verantwortlich ist.

Die kaltblütigen Morde des NSU an neun Mitbürgern mit Migrationshintergrund und einer Polizistin, der Sprengstoffanschlag 2001 und der Nagelbombenanschlag 2004 in Köln sowie 15 Raubüberfälle, überwiegend auf Banken, bilden eine der graviendsten politischen Verbrechensserien, die die Bundesrepublik je erlebt hat. Es ist beschämend, dass die rechtsextremistische Ideologie nach den Verbrechen der Nazi-Diktatur in unserem Land eine blutige Spur von Mordtaten hervorbringen konnte.

Beschämend ist aber auch die Tatsache, dass die 36 deutschen Sicherheitsbehörden dieser Gruppe nicht auf die Spur gekommen sind und der NSU über Jahre hinweg unbehelligt morden und rauben konnte.

Wie konnte ein solches Versagen also möglich werden? Dieser Frage widmet sich der seit dem 26. Januar 2012 eingesetzte 2. Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages (Terrorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund), zu dessen Vorsitzenden ich gewählt wurde.

Die bis heute durch die Arbeit des Untersuchungsausschusses zutage getretenen Skandale zeichnen ein tragisches Bild über die Strukturen und Arbeitsweisen der deutschen Sicherheitsbehörden im Kampf gegen den rechten Extremismus und dessen Terror.

Was lief schief? So ziemlich alles. Die Arbeit im Untersuchungsausschuss hat ein multiples, multidimensionales Versagen der Sicherheitsbehörden aufgedeckt. Die systemische Fehlleistung der Sicherheitsbehörden beruhen dabei auf Struktur-, Haltungs- und Mentalitätsproblemen: So haben die beteiligten Sicherheitsbehörden dramatisch schlecht kooperiert und kommuniziert, die Gefahr einer zunehmend gewaltbereiter gewordenen rechtsextremen Szene massiv unterschätzt und die Ermittlungen nicht vorurteilsfrei geführt. In der Summe heißt das nichts anderes, als dass unser Rechtsstaat nicht die Standards aufweist, denen er verpflichtet ist.

Der demokratische Rechtsstaat hat zwei Kernversprechen in Sachen Sicherheit. Erstens: Egal wer man ist, man wird vor Verbrechen möglichst geschützt. Zweitens: Wenn es zu Straftaten kommt, werden diese unvoreingenommen und professionell aufgeklärt. Beide Versprechen sind gegenüber den Opfern des NSU gebrochen worden und haben das Vertrauen in den deutschen Rechtsstaat – nicht nur bei den Angehörigen der Opfer – aufs schwerste erschüttert.

Um dieses verlorengegangenes Vertrauen zumindest in Teilen zurück zu gewinnen, wurde dieser Untersuchungsausschuss einhellig von allen Bundestagsfraktionen einberufen und die Aufklärungsarbeit fernab von parteipolitischen Spielchen vorbehaltlos und schonungslos vorangetrieben.
Am 3. September 2013 wird der Untersuchungsausschuss seinen Abschlussbericht und fraktionsübergreifend Handlungsempfehlungen vorlegen. Diese werden dann nicht in einer Schublade verschwinden, sondern müssen umgesetzt werden.

Man kann und darf für die Zukunft weitere rechtsterroristische Bestrebungen nicht mehr ausschließen. Umso mehr gilt es, unser Frühwarnsystem und die Aufklärungsarbeit in den Sicherheitsbehörden in diesem Bereich zu verbessern.

Sebastian Edathy
Bundestagsabgeordneter für den Wahlkreis Nienburg-Schaumburg