Das war neu: Nachdem sich der frühere Niedersächsische Innenminister, Uwe Schünemann, nie zur Gegendemonstration nach Bad Nenndorf begeben hatte, trat dessen Nachfolger, Boris Pistorius, gleich bei der ersten Gelegenheit dort auf. Er betonte, er könne gar nicht fehlen, wenn so viele Menschen gegen Rechts auf die Straße gehen.

Von Guido Scholl

Bereits zuvor hatte Bürgermeisterin Gudrun Olk eine Spitze in Richtung Pistorius’ Vorgänger ausgeteilt. „Ich finde es toll, dass Herr Pistorius den Schneid hat, nach Bad Nenndorf zu kommen“, lobte Olk und erntete beinahe so viel Applaus wie der Minister später bei seiner Rede. Der SPD-Politiker strich heraus, dass die Bad Nenndorfer bei aller Ernsthaftigkeit, die das Thema verdiene, auch mit Kreativität und Humor gegen die Neonazis demonstrieren. Dies sei etwas, was dem rechtsextremen Lager „komplett abgeht“. Demokratie könne gerade an solchen Tagen ihre Stärke zeigen, an denen Neonazis „ihren Unfug verbreiten“.

Nach fast 70 Jahren, so Pistorius, hätten es die Nazis noch nicht begriffen, dass ihre Zeit vorbei ist. Und der Applaus erreichte den Höhepunkt, als der Innenminister dies bescheinigte: „Nicht Bad Nenndorf hat ein Problem mit den Nazis, sondern die Nazis mit Bad Nenndorf.“

Pistorius richtete seine Worte an das bereits zahlreich vertretende Publikum bei der ersten Kundgebung an der Ecke Hauptstraße/Horster Straße. Zuvor hatte es einen ökumenischen Gottesdienst gegeben, der wegen der Baustelle im Kurpark in die St.-Godehardi-Kirche verlegt worden war.

Zur Auftaktkundgebung war mit Pistorius – wie angekündigt – die halbe SPD-Landtagsfraktion erschienen. Die heimischen Abgeordneten Karsten Becker und Grant Hendrik Tonne hatten unter anderem Doris Schröder-Köpf mitgebracht, die während der Demonstration auch zeitweise das Banner mit dem Aufdruck „Bad Nenndorf wehrt sich“ trug. Auch die Grünen im Landtag waren vertreten, hinzu kamen die Bundestagsabgeordneten Katja Keul (Grüne) und Sebastian Edathy (SPD) sowie Landrat Jörg Farr und zahlreiche Lokalpolitiker.

Die Auftaktkundgebung nutzte der Vorsitzende des Bündnisses „Bad Nenndorf ist bunt“, Jürgen Uebel, um noch einmal seinem Ärger über das Gerichtsurteil vom vorangegangenen Montag Luft zu machen. Die Gegendemonstration unter dem Dach des DGB müsse in aller Eile über die Bühne gehen, um dann den Neonazis am Winckler-Bad Platz zu machen.

Silke Engelking vom VfL Bad Nenndorf betonte, dass sich die Bad Nenndorfer nicht ins linksextreme Lager drängen lassen. „Nach dem Motto: Wer gegen Rechts ist, der ist ein Linker“, so Engelking.

sn-online.de vom 04.08.2013